Mit zwei Kilometern pro Stunde trotten sie über die Ebene: Tausende Schafe schieben sich jedes Jahr aus den südlichen Winterweidegebieten in nördliche kühlere Lagen für die Sommersaison.

Transhumanz heißt diese uralte Form der Wander-Weidewirtschaft, die in einigen europäischen Ländern noch existiert. In Spanien ist sie besonders lebendig. Der Fotograf Xabier Mikel Laburu hat vier Schafshirten mit ihren 2000 Wolltieren drei Wochen lang auf dem Weg in den Norden begleitet.

Spaniens Hirten können ihre Schafe über ein Wegenetz von insgesamt 125.000 Kilometern führen. Seit 1995 sind die Wege durch ein Gesetz geschützt und gelten offiziell als öffentliches Eigentum – einzigartig in Europa.

Auch der berühmte Jakobsweg verläuft teilweise entlang einiger der alten Hirtenpfade.

Die Schäfer Enrique, Alejandro und Juan laufen im Frühling vom Norden Andalusiens ins Albarracín Gebirge im Norden von Kastillen-La Mancha. Dabei durchqueren sie die große Ebene der Zentralregion. 400 Kilometer legen sie in gut drei Wochen zurück.

Monatelang mitten in der Natur, Trippelschritte statt Verkehrschaos – so mancher Städter mag Hirte Enrique und seine Kollegen beneiden. Doch in ihrer Idylle müssen die Schäfer auf vieles verzichten:

Nicht nur Miguel de Cervantes „Don Quijote“ kämpfte gegen sie – er dachte, sie seien feindliche Ritter – und trug zum Mythos der Schafe Spaniens bei.

Die Tiere haben in der Geschichte Spaniens über lange Zeit eine bedeutende Rolle gespielt:

Bis heute sind knapp ein Viertel aller europäischen Schafe in Spanien zu Hause. Die Gesetze schützen sie – und doch macht es das moderne Spanien den Hirten immer schwerer:

Nicht nur ihre Pfade selbst sehen die Hirten bedroht. Sondern auch das Gleichgewicht des spanischen Ökosystems.

Spanien leidet besonders stark unter Wasserknappheit, Bodenerosion und anderen Folgen des Klimawandels. Mit der Rückbesinnung auf die Wanderschäferei würde die biologische Vielfalt erhalten bleiben, meinen Umweltschützer.

Denn die Schafe lassen ihren natürlichen Dünger und darin täglich etwa fünf Millionen Samenkörner auf den Wegen.

Enrique und seine Kollegen wollen das Verschwinden ihrer Pfade nicht einfach so akzeptieren. Um ihre alten Weiderechte durchzusetzen, weichen sie regelmäßig von ihren Triftpfaden ab:

Jedes Jahr treiben die Hirten ihre Schafe Ende Oktober auf dem Rückweg zu den Winterweideflächen durch das Zentrum von Madrid und andere große spanische Städte. Von diesem Spektakel werden auch viele Touristen angezogen, mediale Aufmerksamkeit ist den Schäfern sicher.

Der Mythos der Transhumanz könnte weiterleben. Wenn die Spanier ernst nehmen, wofür er steht.

Das Team

Fotos und Audiokommentare Xabier Mikel Laburu

Redaktion, Schnitt und Sprecher Marco Kasang

Karte Julia Saur, Lorenz Kiefer

Animation Lorenz Kiefer

Bildredaktion Sabine Döttling

Dokumentation Walter Lehmann

Weitere Fotos AKG, BROOKLYN MUSEUM/CORBIS/GETTY, CULTURE-IMAGES, GETTY IMAGES, LAIF, ACTION PRESS, IMAGO, MAURITIUS, INTERFOTO

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